Nachdem wir die letzte Probe des Rundfunk-Sinfonieorchesters vor dem Konzert miterleben durften, haben wir die Möglichkeit, mit dem Solisten des Abends zu sprechen, dem Knopfakkordeonisten Roman Yusipey. Er lädt uns in seine Garderobe ein und erzählt von seinem Weg vom Konservatorium in Kiew über Musikhochschulen in Deutschland und von Festivals für neue Musik in der Ukraine, welche vor dem Krieg noch eine große Rolle in der Szene gespielt haben. Über das Werk Am Meer sagt er: „Alle Fantasien, die wir uns vorstellen können, sind da: von einer besonderen Ruhe bis zum Sturm. Solche Farben hat die Komponistin sehr erfolgreich gefunden.“ Diese Farben spiegeln sich im Orchester und auf dem Bajan wieder. Yusipey benutzt verschiedene Spieltechniken, wie etwa ein Balgtremolo ,um ein Geräusch von Wind oder vielleicht auch von fliegenden Möwen zu erzeugen.
Im Interview wirkt er konzentriert und eher zurückhaltend, doch auf der Bühne scheint er wie verwandelt. Sein Gesicht spiegelt jede Emotion und an manchen Stellen spürt man förmlich den Schmerz, den die Musik übermittelt. Denn in der Tat ist das Werk geprägt von tiefer Trauer und Verlust. Denn wie auch Roman Yusipey verbrachte die Komponistin Olga Rajeva in ihrer Kindheit viel Zeit am Meer. Sie beschreibt die Zeit in Mariupol bei ihren Großeltern als sehr glücklich. Umso schrecklicher muss es sein, mitanzusehen wie eine Stadt fast verschwindet.
Im Werk hört man die Ereignisse des Krieges in Form von Glissandi, die den Fall der Bomben nachahmen. Die gesamte Atmosphäre ist sehr düster und unheimlich, und jede Note wird mit großer Intensität gespielt. Über allem schwebt das Unheil. Mich schaudert es.